Supercomputer zeigt: Nanoschichten haben Sinn für Drehungen

Jülich-Hamburger Forscherteam findet homochirale Magnetstruktur in dünnen Metallschichten

10-May-2007

Die Natur unterscheidet auf atomarer Ebene zwischen Bild und Spiegelbild magnetischer Strukturen, haben Physiker des Forschungszentrums Jülich und der Universität Hamburg herausgefunden: Mithilfe von Computersimulationen in Jülich und Experimenten in Hamburg entdeckten sie eine so genannte 'homochirale' Magnetstruktur in einer dünnen Metallschicht. Eine Version mit spiegelbildlichem Drehsinn existiert nicht. Die überraschende Selektivität begeistert die Forscher, eröffnet sie doch einerseits ein neues Forschungsgebiet und andererseits Anwendungsmöglichkeiten im Zukunftsgebiet der 'Spintronik'.

Chiralität in kleinsten Dimensionen weist erstaunliche Besonderheiten auf: So kommen beispielsweise in der Natur viele Biopolymere, wie etwa Aminosäuren, nur in einer von zwei theoretisch vorstellbaren Varianten vor, sie sind homochiral. Die Spiegelbildform existiert nur im Labor. Physiker des Forschungszentrums Jülich und der Universität Hamburg haben herausgefunden, dass die Natur auch bei magnetischen Strukturen in dünnen Metallschichten eine Form gegenüber ihrem Spiegelbild bevorzugt. Mithilfe von Computersimulationen haben sie berechnet, dass in einer Manganschicht von nur einer Atomlage Dicke immer die gleiche dreidimensionale, gedrehte Anordnung vorkommt und niemals das Spiegelbild. Ihre Experimente bestätigten dies.

"Solche chiralen Strukturen sind heiße Kandidaten für Anwendungen, etwa im Zukunftsgebiet der Spintronik, weil sie eine Kopplung von elektronischen, optischen, magnetischen und strukturellen Eigenschaften ermöglichen", unterstreicht Prof. Stefan Blügel, Direktor am Jülicher Institut für Festkörperforschung, die Bedeutung dieses Fundes. "In Bauteilen der Zukunft kann der fließende Strom einen Drehimpuls auf die magnetische Struktur übertragen und sie damit in Bewegung versetzen." Die winzigen Formen sind nicht neu, waren aber bisher nur von sehr seltenen Kristallstrukturen bekannt. Erst durch die Arbeiten der Jülicher Physiker stellte sich heraus, dass es sie auch in anderen Materialien gibt, die vergleichsweise einfach herzustellen, einfach zu untersuchen und in Anwendungen bereits weit verbreitet sind - dünnen Metallschichten.

Verständnis und Kontrolle des magnetischen Drehsinns in dünnen Filmen kämen gerade recht für neue Anwendungen, wie magnetischen Speichermedien mit besonders hoher Dichte. Die magnetische Struktur, die der theoretische Physiker Blügel und seine Kollegen fanden, erinnert an eine sich überschlagende Welle, die in ihrer Bewegung erstarrt ist, in die Länge gezogen und vielfach aneinander gereiht. Das Spiegelbild, also eine auf den Kopf gestellte Welle, gibt es nicht, zumindest nicht in der untersuchten Manganschicht. Die Berechnungen müssen aber für jedes Material und jede Schichtdicke jeweils neu durchgeführt werden. Und solche Rechnungen sind aufwändig. Die Wissenschaftler profitieren davon, dass sie direkt vor Ort im Jülicher John von Neumann-Institut für Computing (NIC) Zugriff auf zwei so genannte Supercomputer haben, auf denen sich die Rechenzeit auf etwa einen Monat reduzieren lässt. Dies wird ihnen ermöglichen, noch komplexere magnetische Strukturen zu untersuchen.

Den Forschern gelang ihr wissenschaftlicher Durchbruch, weil sie in ihre Berechnungen erstmals eine bislang vernachlässigte magnetische Wechselwirkung einbezogen, die so genannte Dzyaloshinskii-Moriya(DM)-Wechselwirkung, die bei Betrachtungen der Volumeneigenschaften von Mangan und ähnlichen Metallen keine Rolle spielt. Die Physiker konnten aber nachweisen, dass sie dann entsteht, wenn atomdünne Manganschichten auf eine Oberfläche aufgebracht werden: Die DM-Wechselwirkung ist dann der entscheidende Mechanismus für die einzigartige Anordnung der elementaren magnetischen Momente. Den Jülicher Festkörperphysikern ist es erstmals gelungen, die Stärke der Wechselwirkung quantitativ zu bestimmen.

Original-Veröffentlichungen: M. Bode, M. Heide, K. von Bergmann, P. Ferriani, S. Heinze, G. Bihlmayer, A. Kubetzka, O. Pietzsch, S. Blügel & R. Wiesendanger; "Chiral magnetic order at surfaces driven by inversion asymmetry"; Nature 2007.

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